„S ch w a rzh ö re rn " e m p fie h lt STEREO
m onatlich die besten S challplatten
des „S chw arzm arktes"
Ann Peebles
I CANT STAND THE RAIN
Fat Possum LP, erhältlich etwa bei vinylkatalog.de
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Als siebtes von elf Kindern in einem
Kaff in Missouri geboren, trat Ann
Peebles schon mit acht im „fami-
lieneigenen“ Gospel-Chor auf und
erlebte -
1955
herrschte dort noch
strengste Rassentrennung! - nicht
nur die legendäre Mahalia Jackson,
sondern auch Sam Cooke in seiner
Zeit mit den Soul Stirrers. Jahre
bevor John Lennon „I Can’t Stand
The Rain“ zu einem seiner Lieb-
lingssongs erklären sollte, hatte sie
mit ihrer Deutung von Johnny Tay-
lors „Part Time Love“ schon einen
glänzenden Erfolg in der Rhythm &
Blues-Hitparade vorgelegt. Aber es
war „I Can’t Stand .
..“, der Song mit
dem ausgefallenen Arrangement,
der fortan den Hi-Sound für immer
so exemplarisch definierte wie dort
von Willie Mitchell produzierte Al
Green-Klassiker.
Die Stücke auf diesem Album wa-
ren - auch die Balladen - Southern
Soul-plus-Swamp Rock-Mixes von
großer
produktionstechnischer
Finesse. Das Zeug zum Evergreen
hatte umgehend auch „(You Keep
Me) Hanging On“ (nicht der von
Vanilla
Fudge
vergewaltigte
Supremes-Klassiker), und in die
Champions League von Candi Sta-
ton & Co. sang sie sich spätestens
mit dem feministischen Statement
„I’m Gonna Tear Your Playhouse
Down“. Von Willie Mitchell schon
gefördert und unter Vertrag genom-
men, bevor er Al Green entdeckte
und Hi Records weltweit berühmt
wurde, hatte sie sich mit den ersten
beiden LPs als eine sängerische
Urgewalt a la Bobby Womack und
Bobby „Blue“ Bland mehr denn
Aretha Franklin
profiliert. Nur
Beckmesser werden reklamieren,
dass Mitchell bei den Sessions zu
Langspiel-op.
3
auf Erfolg bedacht
sich ziemlich streng an dem seit
„Al Green Gets Next To You“ paten-
tierten Sound-Konzept orientierte.
Am Ende erklärte die „Guinness
Encyclopedia of Popular Music“
kategorisch, diese LP „deservedly
ensured the singer’s immortality“.
Als Lowell George neben großen
Songs von Allen Toussaint, Van
Dyke Parks, Rickie Lee Jones und
Jimmy Webb auch „I Can’t Stand The
Rain“ für eine Coverversion auf sei-
nem Soloalbum auswählte, machte
sie das noch etwas unsterblicher.
Die von Pure Pleasure vorgeleg-
te LP reproduziert mit der dafür
vorgenommenen Überspielung den
Hi-Sound originalgetreuer als die
von Hi selbst
2003
in der CD-Serie
neu aufgelegten Ann Peebles-Plat-
ten! Was nachgeborene Fans der
Sängerin überdies restlos glücklich
machen sollte, ist die ganz exzel-
lente Fertigungsqualität.
Franz Schöler
Walter Trout
LIVE: NO MORE FISH JOKES
Provogue 2 LPs, erhältlich bei dacapo-records.de
Seit
25
Jahren ist der Amerikaner
Walter Trout einer der internati-
onal profiliertesten Blues- und
Bluesrock-Musiker.
Besonders
in Europa feiert das mittlerweile
61
-jährige ehemalige Bandmitglied
von John Lee Hooker, Canned Heat
und John Mayalls Bluesbreakers
große Erfolge und genießt einen
hervorragenden Ruf als mitreißen-
der Live-Act. Einen Eindruck von der
Energie und Spielfreude gewinnt
man auf dem vorliegenden Dop-
pelalbum schon beim ersten Stück,
dem
Robert Johnson-Klassiker
NEUES AUF VINYL
„Dust My Broom“, aufgenommen
auf dem Roskilde Festival in Dä-
nemark im Jahre
1991
. Aber auch
von der Virtuosität her musste sich
Trout schon damals vor niemandem
verstecken, ihn mit Rory Gallagher
in einem Atemzug zu erwähnen ist
nicht übertrieben.
Rund
70
Minuten feinster Blues-
rock wurde auch akustisch gelun-
gen eingefangen. Dynamisch, mit
treibenden Drums, die fett, aber
präzise und sehr präsent klingen,
gekonnten Soli und gut durchhör-
barer musikalischer Choreografie,
machen die
180
-Gramm-Scheiben
im aufklappbaren Cover, die zum
sehr fairen Kurs von unter
30
Euro
im Plattenladen stehen, dem Mu-
sikliebhaber große Freude. Lange
habe ich nicht mehr mit solcher
spontanen Begeisterung vier Plat-
tenseiten durchgehört!
Michael Lang
Chet Atkins, Les Paul
CHESTER & LESTER
Exhibit/Audio Fidelity/Audio Int l LP, audicron.com
Gitarrenfans, aufgepasst! Hier
kommt das gelungene Reissue
der ‘
76
er Jam-Session von zwei
der berühmtesten Gitarristen ihrer
Zeit: Chet Atkins und Les Paul. Dass
die beiden aus unterschiedlichen
Ecken stammten, nämlich Country
und Pop, behinderte weder ihre
musikalische noch persönliche
Verständigung. So locker, wie sich
die zwei auf und im informativen
Klapp-Cover präsentieren, muss
es auch während der Aufnahmen
in den „Nashville Sound“-Studios
der RCA zugegangen sein. Locker
vom Hocker und mit leichter Hand
spielte das von Klavier, Bass,
Schlagzeug und Background-Gi-
tarren begleitete Duo seine Ver-
sionen bekannter Titel. Dabei warf
es einander gekonnt die Motive zu
und frotzelte sich augenzwinkernd
an. Auch verbal schenken sich die
„two dirty old men“ (Selbstzitat)
gegenseitig ein, wie kurze Sequen-
zen während der Takes belegen, die
in allgemeinem Gelächter enden.
Keine Frage: Atkins, Paul und ihre
Band hatten viel Spaß, der stets
durch die Performance schimmert.
So entstand entspanntes Easy
Listening, aber nie banale Fahr-
stuhlmusik.
Schön, dass Exhibit Records das
mit einem Grammy ausgezeichne-
te Album als
180
-Gramm-Scheibe
bringt. Die wurde einwandfrei von
RTI gefertigt, dem nahe Los An-
geles ansässigen Presswerk, dem
traditionell viele audiophile Label
vertrauen.
Matthias Böde
Bill Evans Trio
TRIO 65
Verve/ORG 2 LPs, sieveking-sound.de
Bill Evans zählt nicht nur zu den
besten Jazzpianisten aller Zeiten,
er gilt auch als wegweisend, zahlrei-
che Größen wie Keith Jarrett werden
seiner „Schule“ zugeordnet. Die-
sen Nimbus hat sich der aus New
Jersey stammende zarte Geist in
unzähligen Formationen seit Mitte
der
1950
er als Sideman und unter
eigenem Namen geschaffen. Be-
sonders, dass in seinen Trios nicht
mehr das Klavier im Vordergrund
stand, sondern alle auf Augenhöhe
musizierten, gilt als Errungenschaft.
Aus seiner Zeit beim Label Riverside
und erst recht der darauffolgenden
Verve-Phase gibt es nahezu keine
Ausfälle. So sind auch alle Titel auf
„Trio ‘
65
“ absolut gelungen. Aber
lohnt sich bei vorliegender Neuauf-
lage die Investition von
75
Euro für
vier Seiten
45
er-Vinyl?
Einfach gesagt: ja. Wem das letz-
te Quäntchen Auflösung, Dynamik,
Tonalität und perfekte Abbildung
der Instrumente wichtig ist, der
wird diesen Preis locker verschmer-
zen. Denn diese Scheiben klingen
so realistisch, dass man sich Bill
Evans, Bassist Chuck Israel und
Schlagzeuger Larry Bunker ein
halbes Jahrhundert später mitten
in sein Wohnzimmer zu beamen
glaubt.
Ilhami DUzgUn
STEREO 6/2014 121
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